Es wunderte Kigan nicht, dass er den Anderen nicht mehr überraschen konnte. Er war davon ausgegangen das er ihn zumindest schon von weitem gerochen hatte – und das nicht im negativen Sinne. Muggel oder Zauberer konnte man noch gut mit dieser Eigenschaft verblüffen oder gar erschrecken, wie es seine allerliebste Schwester bevorzugte, doch ein gleichgesinntes Wesen wohl kaum. So ließ hob er den Kopf ein Stück weit, um in die Augen des Wolfes blicken konnte, der ihn um einiges überragte, so als würde er sich unter dessen Blick sonnen. Dessen Worte, nicht minder einen Zweifel lassend, dass Takai nicht damit gerechnet hätte das er an einem Samstag morgen zu spät kommen würde, ließen Kigan einen Augenblick nach einer Möglichkeit überlegen einen Wecker so zu verhexen, dass er selbst ihn aus dem Bett holen konnte. Die kalte Mimik welche von Stress geplagt schon am frühen Tage einige Falten schlug, erhellte sich ein Stück weit durch das sich bildende Schmunzeln.
„Mal davon ab das es bisher keine Lautstärke geschafft hat Tote zu wecken, erinnere mich doch bitte daran zukünftig keine Geschenke von dir anzunehmen.“, erwiderte er also nach einem Moment des Denkens und warf dem Arm, der sich um seine Schulter legte, einen flüchtigen Blick zu, ehe sich seine Beine begannen mit denen des Anderen fortzubewegen.
Abgesehen von seiner Familie war bisher der Ältere der einzigste gewesen, der sich ihm körperlich nähern durfte. Jeden anderen hätte er höchstwahrscheinlich für solch eine, wenn auch rein platonische, Geste den Arm kräftig auf dem Rücken verknotet. Kigan konnte wirklich nicht verstehen wie sich diese ganzen Mädchen nur bei Begrüßungen oder Verabschiedungen küssen konnten. Ein kurzer Handschlag war etwas anderes, etwas auf Abstand. Aber wieso mussten die sich gleich alle immer um den Hals fallen als hätten sie sich jahrelang nicht gesehen oder würden es nie wieder tun? Im Gegenzug hierzu war das Ganze natürlich eine Ausnahme. Für ihn gab es immer Ausnahmen.
„Nein, hab ich nicht.“, brummte er dann auf die Vermutung hin die Takai äußerte, während er sich zeitgleich die angebotene Zigarette aus der Schachtel zog und zwischen die Lippen schob und begann nach seinem Feuerzeug zu suchen. Es war ja nicht so als würde er sich von jedem anquatschen lassen, mit der halben Belegschaft Hogwarts hatte er rein gar nichts am Hut. Wenn man noch dazu bedachte, dass er nicht mal die Hälfte seines eigenen Hauses als würdig anerkannte mit ihm zu verkehren, würde das Ganze wohl auch ungünstig für jene ausgehen, die versuchten sich an ihn zu hängen.
„Ich hab sie zwar kurzzeitig mal getroffen aber daran lag’s nicht.“, fügte er noch ein wenig geistesabwesend ob seiner Beschäftigung hinzu, nachdem er seine Schritte verlangsamt hatte und letzten Endes stehen blieb.
„Wo hab ich denn das verdammte Ding hingepackt?“, kam es wenig später gezischt aus den Lippen, die noch immer darin ihre Aufgabe gefunden hatten den Glimmstängel dazwischen festzuhalten. Ein letztes Mal suchten die Hände tastend alle Taschen am Mantel ab, ehe ein resignierendes Seufzen das folgende Kopfheben und den genervten Blick ankündigte, den er seinem Freund zuwarf, welcher jede Aufforderung aussprach sein Leiden zu erlösen.
Was die Regeln betraf, dass sie nicht rauchen durften, das interessierte Kigan genau so wenig wie alle anderen Schüler die es ihnen gleich taten. Sie waren sicher nicht die einzigsten, die sich den ein oder anderen „Mangel“ nicht nehmen ließen und lieber das Leben auskosteten – eben jeder auf seine Weise. Seine bestanden nun mal darin zu rauchen und ab und an mal etwas über den Durst zu trinken. Jegliche anderen Regeln die in Hogwarts herrschten wurden weitaus besser und regelmäßiger kontrolliert, geschweige denn härter bestraft. Was sollte ihm auch großartig passieren? An Lungenkrebs sterben konnte er immerhin nicht. Und natürlich gab es immer wieder jemanden der sie gesehen hatte und es petzte, auch wenn sie ihre Schuluniform nicht trugen, konnte man sich ausmalen, woher sie stammten.
„Uhm...warm?“
Kigan hob gespielt fragend eine Braue. Musste er ihn denn immer daran erinnern das er keine wirkliche Körpertemperatur besaß? Gut, es gab Momente wo es sich warm anfühlte – und dieser war keiner davon – aber im Großen und Ganzen fror der Vampir eigentlich immer, sodass dieses Wort... dieses Gegenteil eben, schon fast wie ein Fremdwort in seinem Wortschatz war.
Seine Schritte setzten sich fort, einen tiefen Zug des Nikotinstängels inhalierend, der wenig später in Form von bläulichem Rauch wieder zum Himmel entlassen wurde.
„Wieso hast du´s so eilig, jetzt lass uns doch erst mal gucken. Ich erfrier schon nicht.“
Die nutzlose Hand demonstrierend zurück in die warme Manteltasche schiebend ließ der Kleinere seinen Blick noch ein mal schweifen. Ein wenig frische Luft würde ihn zumindest schneller wach machen als würde er sich gleich wieder irgendwo ins Warme setzen – beziehungsweise überhaupt setzen, denn die Heulende Hütte war nicht beheizt. Es konnte ja auch sein das er etwas in den vielen Schaufenstern sah was ihm gefallen würde. Die Verkäufer die sich hier um einen der guten Plätze für ihren Laden niedergelassen hatten waren nicht dumm, sie wussten, dass die Schüler an ihren freien Tagen gern vorbei kamen und ihr Taschengeld für alles mögliche ausgaben. Zwar war Kigan keiner dieser Jungen, die ihr Geld aus dem Fenster warfen, doch musste er zugeben das selbst er eine Schwäche für den ein oder anderen Gegenstand hatte und es sich in solchen Fällen nicht nehmen ließ ihn sich auch anzueignen. Lakritze, als banales Beispiel. Gefrühstückt hatte er, wo er ein Mal bei dem Gedanken war, auch noch nicht.
„Ich hab Hunger.“, protzte es auch sogleich ein wenig unpassend ins Thema geworfen aus ihm heraus und die hellen Augen begannen einen Laden ausfindig zu machen der diesen stillen konnte.